Zur Herstellung meiner Kunstobjekte verwende ich ein besonderes, nicht alltägliches Papier. Dieses stammt aus ausrangierten Bücher, die mir die "Zentrale Blindenbibliothek, Leipzig" zur Verfügung stellt. Die Seiten der Bücher sind mit einer Vielzahl von kleinen Punkten durchdrungen. Diese werden in einem maschinellen Verfahren von hinten auf das Papier gedruckt. Die Anordnung der Punkte basiert auf dem System der Blindenschrift, die Louis Braille 1825 erfunden hat.
Dem jungen Franzosen, der selbst in frühester Kindheit erblindete, ist es gelungen, aus einer Kombination von jeweils 6 Punkten pro Buchstabe das Blindenalphabet zu entwickeln. Die daraus entstandene Brailleschrift, wird bis heute weltweit eingesetzt. Sie ermöglicht nichtsehenden Menschen den Zugang zum geschriebenen Wort. Eine geniale Erfindung, wie ich finde.
Da ich mit zwei erblindeten Schwestern aufgewachsen bin, ist mir das „Punktepapier" schon seit frühester Kindheit an vertraut.
Die Faszination und Begeisterung die dieses Papier bis heute auf mich ausübt habe ich allerdings spät in meinem Leben wahrgenommen. Erst im Alter von 55 Jahren wurde mir ganz plötzlich und unerwartet die Schönheit und die Einzigartigkeit dieses Papiers bewusst. Aus dieser Erkenntnis heraus ist der Wunsch in mir entstand mit diesem Werkstoff gestalterisch zu arbeiten. Diesen Wunsch habe ich mir erfüllt und seitdem lässt mich dieses Papier mit seinen wunderschönen warmen Farbtönen nicht mehr los.
Es ist sowohl fest als auch biegsam, kraftvoll aber auch zart, robust und zugleich filigran. Diese Gegensätze machen das Werken mit diesem Papier äußerst spannend und interessant.
Die, in einem dynamischen und langzeitlichen Prozess, entstandenen Papierobjekte befestige ich auf Metall- und Acrylplatten, auf Leinwänden, an Metallstäben oder an Drahtseilen. Das Arbeiten mit diesen verschiedenen Materialien ist verbunden mit dem Gefühl der kreativen Freiheit und der Freude am Experimentieren.